Wo Leben die ältesten Menschen in Italien

In der Provinz Ogliastra auf Sardinien leben ungewöhnlich viele 100-jährige Menschen. Wissenschaftler wollen dem Geheimnis des langen Lebens auf den Grund gehen.

Wenn man den 95-jährigen Michelino Scudu fragt, ob er 100 Jahre alt werden will, wird er fast ärgerlich: "Das ist schon viel zu nah, ich will viel länger leben!" Scudu ist ein Energiebündel. Sobald er morgens seinen Kaffee getrunken hat, wandert er die steile Straße aufwärts, in der er wohnt, und steigt in seinen Fiat Panda. Mit dem verlässt er sein Dorf Villagrande Strisaili, um über die vielen Haarnadelkurven der sardischen Berge einen seiner Gemüseäcker zu erklimmen. Wenn er nachmittags nach Hause zurückkehrt, macht er Mittagsschlaf und danach seinen Rundgang durchs Dorf, um die obligatorischen Schwätzchen zu halten. Sollte Freitag sein, wird er noch eine Gymnastik-Session einlegen.

Kann auch sein, dass mal wieder ein Wissenschaftler bei ihm hereinschaut. Denn das 3000-Seelen-Dorf, in dem Scudu lebt, gehört zu einer "Blauen Zone", wie Demografen die vier Gegenden weltweit nennen, in denen Menschen besonders alt werden. Die Blauen Zonen heißen so, weil die ersten Forscher die Regionen auf ihrer Landkarte blau ummalten, in denen sie einen auffallend hohen Prozentsatz an Hundertjährigen fanden. Villagrande Strisaili ist eines der 14 Bergdörfer im Osten der Insel Sardinien, in denen pro 100.000 Einwohner 31 über Hundertjährige leben. Auf ganz Sardinien liegt der Durchschnitt bei 21. Deswegen ist das Dorf seit 1999 eine Art Echtzeitlabor. Biologen, Demografen, Genetiker und Endokrinologen versuchen, dem Rätsel der Langlebigkeit auf die Spur zu kommen. Das Besondere in der sardischen Blauen Zone: Die Männer leben genauso lange wie die Frauen. Dabei liegt in den industrialisierten Ländern die Lebenserwartung der Männer durchschnittlich um sieben Jahre niedriger als die der Frauen.

In zwei Punkten sind sich die Wissenschaftler sicher: Bewegung und Ernährung der Inselbewohner tragen zu großen Teilen bei zu ihrem langen Leben. Auf dem Weg zu ihren Feldern legen sie täglich mehrere hundert Höhenmeter zurück. Dass sich Treppensteigen positiv auf die Lebenserwartung auswirkt, ist allerdings kein Geheimnis.

Die Speisekarte birgt schon eher eine Überraschung: Von traditioneller mediterraner, fleischarmer Diät mit viel Fisch wollen die Sarder nichts wissen. Fisch? "Niemals", lautet meist die energische Antwort der alten Menschen in Villagrande auf diese Frage. Wo auch immer man sie stellt: Hier in den Bergen hat man "eine Abneigung gegen das Meer". Eine typische Mahlzeit beginnt mit getrockneten Würsten oder Schinken und den "Thipula". Das sind Krapfen aus Kartoffelpüree, Mehl und Ei. Auf die Vorspeisen folgen oft die "Culurgiones", birnenförmige Ravioli, die mit Püree, Pecorino und frischer Minze gefüllt sind. Danach kommen die Fleischgerichte: Hammel oder Schwein oder beides, begleitet von einem gemischten Salat. Zum Nachtisch gibt es Obst oder Kuchen. Nicht fehlen darf der "Cannonau", der lokale Rotwein. Ganz und gar mediterran allerdings sind der Genuss und die Geselligkeit, die die Mahlzeiten begleiten.

Warum diese Ernährung nach dem Zweiten Weltkrieg wie ein Zaubertrank für ein langes Leben gewirkt hat, warum auf Sardinien Frauen nicht älter werden als Männer und sich das vielleicht bald ändern wird, lesen Sie in der neuen Ausgabe von viva!, ab 4. Juni am Kiosk.

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Wo Leben die ältesten Menschen in Italien

Inhalt dieser Seite

  • Das Geheimnis der Hundertjährigen liegt auf unserem Teller
  • 1. Blue Zone: Okinawa, Japan
  • 2. Blue Zone: Sardinien, Italien
  • 3. Blue Zone: Ikaria, Griechenland
  • 4. Blue Zone: Loma Linda, USA
  • 5. Blue Zone: Nicoya-Halbinsel, Costa Rica
  • Die 10 besten Ernährungstipps der Hundertjährigen

Beitrag wurde erstellt von:
Cora Högl

Was haben Okinawa, Sardinien, die griechische Insel Ikaria, Loma Linda in Kalifornien und die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica gemeinsam? Sie werden von Forschern als „Blaue Zonen“ bezeichnet, denn ihre Bewohner werden uralt und führen ein langes Leben.

Lange dachte man, alt werden ist eine Frage der Gene. Für die Zeitschrift National Geographic reiste der Autor Dan Buettner zusammen mit einem Team aus Wissenschaftlern mehrere Jahre um die Welt, um die Gegenden ausfindig zu machen, in denen die ältesten Menschen der Welt leben. Bereits 2005 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse unter dem Titel „The Secrets of a long life“ (Die Geheimnisse eines langen Lebens).

Das Fazit ihrer Arbeit: Das lange Leben hat offensichtlich mit der Ernährung der Bewohner in den unterschiedlichen Regionen zu tun.

Das Team identifizierte fünf Zonen, die sogenannten „Blue Zones“. Dabei entwickelte jede Region für sich unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten, die aber dennoch viele Gemeinsamkeiten aufweisen.

Wir stellen Ihnen die Regionen vor, in denen die ältesten Menschen der Welt leben und zeigen Ihnen welche 10 Ernährungsregeln wir uns von ihnen abschauen können.

Okinawa ist die südlichste Präfektur Japans und für sein ganzjährig schönes Wetter bekannt. Außerdem zeichnet sich Okinawa dadurch aus, dass seine Bewohner überdurchschnittlich alt werden: Die werden bis ins hohe Alter überdurchschnittlich wenig von Krankheiten gebeutelt und weisen die höchste Lebenserwartung auf der Erde auf: Eine Bewohnerin Okinawas wird im Durchschnitt 86 Jahre alt, ein Bewohner darf sich immerhin noch über stolze 79 Geburtstage freuen.

Die Inselbewohner mischen in ihrer Ernährung Köstlichkeiten aus dem Meer und vom Land. Auf ihrem Speiseplan stehen vor allem Algen, Tofu, Knoblauch, brauner Reis, grüner Tee, Shiitake-Pilze und Bittermelonen. Kurzum: Ihre Ernährung ist kalorienarm, kommt mit sehr wenig tierischen Lebensmitteln aus, ist reich an Mineralstoffen (brauner Reis), Proteinen und Eiweiß (Algen, Tofu), dazu zahlreiche Vitamine und Catechine aus dem Grüntee.

Das Leben der Menschen auf Sardinien, der zweitgrößten Insel des Mittelmeers, ist geprägt von körperlicher Arbeit. Das Hüten von Schafen und Ziegen ist heute noch wichtiger Bestandteil im langen Leben vieler Sarden. Schafs- und Ziegenmilch spielt daher eine wichtige Rolle in der sardischen Ernährung. Und angeblich hält sich Mann und Frau in auf Sardinien an die Tradition „Jeden Sonntag Liebe machen“...

Die „mediterrane Diät“ bzw. Ernährungsweise scheint der Schlüssel für die hohe Lebenserwartung und das hundertjährige Leben auf der kleinen griechischen Insel Ikaria zu sein. Buettner nennt Ikaria „die Insel, auf der die Menschen vergessen zu sterben“. Auf die Tische der Ikarianer kommen hauptsächlich Kartoffeln, Kichererbsen, Ziegenmilch, Augenbohnen, Linsen, Obst, Honig, wenig Fisch und noch weniger Fleisch.

Im südlichen Teil Kaliforniens liegt die beschauliche Stadt Loma Linda. Dass in der Stadt so viele Hundertjährige leben, liegt offensichtlich an der hohen Zahl von Sieben-Tage-Adventisten in Loma Linda. Die Angehörigen dieser protestantischen Freikirche rauchen nicht, trinken keinen Alkohol und ernähren sich nach der „biblischen Diät“, die ihnen schon von ihren Eltern übermittelt wurde. Diese besteht aus viel Getreide, Nüssen, Früchten, Avocado, Datteln, Feigen und Gemüse. Sie trinken nur Wasser und Sojamilch und lehnen jegliche Lebensmittel ab, die mit Zucker versetzt wurden ab. Viele Bewohner ernähren sich vegan, ein Großteil isst nur geringe Mengen Fleisch oder Fisch. Diejenigen, die gar kein Fleisch essen, leben in Loma Linda am längsten.

Kürbis, Bohnen und Mais, „die drei Schwestern der mittelamerikanischen Landwirtschaft“, wie Autor Buettner die Lebensmittel in seiner Studie bezeichnet. Sie bestimmen den Speisezettel der Bewohner der costa-ricanischen Nicoya-Halbinsel. Alle drei Nahrungsmittel sind kalorienarm, reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen. Die Bohnen liefern zudem jede Menge Eiweiß, das die Menschen sonst kaum zu sich nehmen würden, da auch sie kaum Fleisch oder Fisch essen.

Je nachdem in welcher Region wir wohnen, kann ein gesunder Speiseplan also durchaus etwas unterschiedlich aussehen. Nur weil Hundertjährige in Loma Linda etwa viel Avocado essen, heißt das nicht, dass wir das auch tun müssen, um gesund alt zu werden. Passen Sie Ihren Speiseplan an Ihre Umgebung an und wählen Sie angepasst an diese Tipps aus Ihrem regionalen Angebot. Sie brauchen sich dabei nicht zu sehr auf einzelne Lebensmittel zu fokussieren. Wählen Sie hochwertige, natürliche Lebensmittel und orientieren Sie sich dabei an diesen 10 Grundsätzen der Blue Zones. Mit diesem Rahmen ernähren Sie sich auf entspannte Weise automatisch gesund!

1. Auf seinen Körper hören Ausgewogen essen bedeutet nicht nur vielfältig zu essen, sondern auch auf das richtige Maß zu achten. Wenn wir auf unseren Körper hören, vermeiden wir es automatisch, im Übermaß zu essen. Essen Sie nach „Hara Hachi Bu“, wie es die Bewohner in Okinawa machen. Die japanische Regel besagt: Hör auf zu essen, wenn dein Magen zu 80 Prozent gefüllt ist.

2. Pflanzenbasiert essen Die Bewohner der Blue Zones essen zu 90 bis 95 Prozent pflanzlich: Gemüse, Kohl, grünes Blattgemüse, Salate, Obst, Kräuter, Nüsse, Hülsenfrüchte und Getreide befüllt reichlich die Teller. Auch an pflanzlichen Ölen wird nicht gespart und Kräuter besitzen neben Ihrem Vitaminreichtum auch viele ätherische Öle mit Gesundheitsnutzen.

3. Frisch kochen Unsere Mahlzeiten sollten stets frisch zubereitet sein, am besten aus regionalen und unverarbeiteten Zutaten. So ernähren wir uns entsprechend der Saison und vermeiden ausgelaugte Lebensmittel durch lange Transportwerge. So kommt es, dass im japanischen Okinawa viele Süßkartoffeln auf den Tisch kommen und auf Ikaria dagegen eher normale Kartoffeln und Bohnen – beides ist gesund!

4. Hülsenfrüchte entdecken Gemeinsamkeit aller Bewohner der Blue Zones: Täglich kommen Hülsenfrüchte auf den Tisch! In Okinawa ist es vornehmlich Soja, auf Ikaria Kichererbsen und in Sardinien die Fava-Bohne. Auch hierzulande gibt es heimische Hülsenfrüchte wie zum Beispiel Linsen, die wir neu entdecken können. Die tägliche Portion liefert hochwertiges Protein, das dem Muskelabbau im Alter entgegenwirkt sowie viele Ballaststoffe für unsere Darmgesundheit.

5. Gesäuerte Milchprodukte Ein wenig Milchprodukte wie Joghurt und Käse können den Speiseplan bereichern, wenn Sie auf das Tierwohl und gute Haltung achten. Auch was die Tiere fressen, spiegelt sich in der Qualität der daraus hergestellten Lebensmittel wider. Gesäuerte Milchprodukte wie Joghurt bereichern den Speiseplan der Ikarier und Sarden und sind besonders vorteilhaft für einen gesunden Darm.

6. Ein bisschen Fisch In jeder Region der Welt findet sich Fisch aus heimischen Gewässern. So vermeidet man auch ein Überfischen der Meere. Eine gute Wahl sind zwei Portionen Fisch pro Woche.

7. Zucker minimieren Unsere Zuckerkonsum sollte 25 Gramm am Tag nicht übersteigen. Dies entspricht etwa fünf Teelöffeln und deckt sich mit der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Regel sind allerdings eher um die 100 Gramm am Tag. Genießen Sie Süßes bewusst einmal am Tag und vermeiden Sie verarbeitete Produkte, in denen oft versteckter viel Zucker versteckt.

8. Traditionelles Brot essen Helle Auszugsmehle, färbendes Malz, Backtriebmittel und Aromen: Das „Turbo-Brot“, das wir heute bei so manchem Bäcker kaufen, hat mit traditionellem Backwerk nicht mehr viel zu tun. Mit Sauerteig oder natürlicher Hefe angesetztes Brot mit langer Teigführung ist besser verträglich und es werden mehr Nährstoffe freigesetzt. Halten Sie Ausschau nach einem Backer, der ursprünglich arbeitet oder probieren Sie unser Über-Nacht-Dinkelbrot

9. Täglich eine Portion Nüsse Machen Sie es wie die Sarden und Ikarier und knabbern Sie täglich eine Handvoll Nüsse. Die geballte Nährstoffpower liefert gleichzeitig hochwertige Proteine, gesunde Fette und Ballaststoffe. Sorgen Sie für Abwechslung und wechseln Sie die Sorten immer mal wieder ab.

10. Wasser als Durstlöscher Trinken Sie täglich fünf bis sieben Gläser Wasser und auch gerne mal eine Tasse ungesüßten grünen Tee oder Kaffee, die uns eine Extra-Portion Antioxidantien liefern. Vermeiden Sie dagegen jegliche zuckerhaltigen Getränke, ebenso kalorienfreie, mit Süßstoffen gesüßte Sorten.

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