Wo hat Martin Luther die Bibel übersetzt

Eine Bestseller-Liste gab es zu Luthers Zeiten zwar noch nicht, am Erfolg seiner Bibelübersetzung besteht trotzdem kein Zweifel. Seine "Lutherbibel" war zwar nicht die erste Übertragung der christlichen Bibel ins Deutsche, sie fand aber als erste weite Verbreitung. Denn Luther machte die Bibel auch für Laien lesbar, er "schaute dem Volk aufs Maul", wie er selbst sagte. Wörtliche Übersetzungen waren ihm ein Graus, er feilte lange an jedem einzelnen Satz, bis er allgemeinverständlich wurde.

Luthers Fassung erschien im September 1522 zur Leipziger Buchmesse, die bis heute besteht. 3000 Exemplare waren gedruckt worden, eine hohe Auflage. Zwischen einem halben und 1,5 Gulden kostete eine Ausgabe. "Musste man vor Luther für einen Bibeldruck den heutigen Gegenwert eines Mercedes der S-Klasse bezahlen, so kostete eine Lutherbibel im 16. Jahrhundert so viel wie heute ein Kühlschrank", so der Theologe Hartmut Hövelmann gegenüber dem portal "luther2017.de".

Eine frühe Ausgabe der Lutherbibel

Innerhalb von drei Monaten war die Lutherbibel ausverkauft, schon im Dezember musste nachgedruckt werden. Die erste Auflage wird als "Septembertestament" bezeichnet, die zweite als "Dezembertestament". Es handelte sich um eine Übersetzung ausschließlich des Neuen Testaments. Luthers Wirken wird als Auslöser der Reformation betrachtet, die die katholische Kirche spaltete. Fortan gab es Katholiken auf der einen und Protestanten auf der anderen Seite.

2. "Junker Jörg" auf der Wartburg 

Die Wartburg in Thüringen ist ein beliebtes Touristenziel

Martin Luther konnte das Neue Testament nicht in Frieden am heimischen Schreibtisch übersetzen. Im Jahr 1517 hatte er seine berühmten "95 Thesen" gegen den katholischen Ablasshandel veröffentlicht; er hielt nichts davon, dass sich Sünder mit Geld vom Fegefeuer oder Höllenqualen freikaufen durften. Im Januar 1521 wurde er vom Papst exkommuniziert, weil er sich weigerte, seine reformatorischen Thesen zu widerrufen.

Drei Monate später stand der bereits als Häretiker verurteilte und mit dem Kirchenbann belegte Luther vor dem Reichstag zu Worms und wurde letztmalig zum Widerruf aufgefordert. Wieder weigerte sich Luther. Daraufhin erklärte Kaiser Karl V. ihn durch das "Wormser Edikt" für vogelfrei; das heißt, jeder hätte ihn einsperren oder sogar töten dürfen.

Vogelfrei wie er war, gab sich Luther auf der Wartburg als "Junker Jörg" aus

Luther hatte Glück, dass der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise ihm gewogen war und ihn zu seiner Sicherheit auf die Wartburg bei Eisenach entführen ließ. Dort logierte Luther zehn Monate lang unter dem Namen "Junker Jörg" - und widmete sich der Bibelübersetzung.

3. Ein geopfertes Tintenfass

Seine Schreibstube auf der Wartburg ist heute als "Lutherstube" bekannt. Dort übersetzte Martin Luther das Neue Testament aus dem Altgriechischen ins Frühneuhochdeutsche und nahm dabei lateinische Übersetzungen zur Hilfe, zum Beispiel die des berühmten Humanisten Erasmus von Rotterdam. Elf Wochen brauchte er, um das Neue Testament ins Deutsche zu übertragen.

Die "Lutherstube" auf der Wartburg

Die Legende erzählt, dass ihn eines Nachts der Teufel in seiner Stube besucht haben soll. Luther habe ein Kratzen gehört und daraufhin das Tintenfass nach dem Teufel geworfen. Dabei soll ein blauer Tintenfleck an der Wand neben dem Ofen entstanden sein. Schon seit dem 17. Jahrhundert wird Mythenbildung um den Fleck betrieben, aber ob er überhaupt aus der Zeit Martin Luthers stammt, ist zweifelhaft. Viele Male wurde er nachgemalt oder an neuer Stelle angebracht.

4. Großes vollbringt man nur im Team

Nach der Übersetzung des Neuen Testaments wandte sich Luther der Übersetzung des Alten Testaments zu: Dabei stützte er sich gleich auf mehrere Mitarbeiter. Allein wäre es ihm nicht gelungen, den Text aus dem Althebräischen und Aramäischen zu übersetzen, da er diesen beiden Sprachen nicht so gut beherrschte wie Latein oder Altgriechisch. 

Die Arbeit war auch im Team schwierig genug. An Luthers Seite arbeiteten neben anderen Mitstreitern vor allem Philipp Melanchthon, Humanist, Reformator und der erste Professor fürs Altgriechische an der Universität zu Wittenberg, und Matthäus Aurogallus, Professor fürs Hebräische, ebenfalls in Wittenberg. Nach getaner Arbeit schrieb Luther über die Übersetzung den sogenannten "Sendbrief vom Dolmetschen": "Im Buch Hiob mühten wir uns so, Magister Philipp Melanchthon, Aurogallus und ich, dass wir in vier Tagen zuweilen kaum drei Zeilen fertig bringen konnten."  

5. Ein modernes Bilderbuch

Einige der Ausgaben von Luthers Übersetzung des Neuen Testaments waren mit Holzschnitten illustriert, die sich nah an der Lebenswelt seiner Zeitgenossen orientierten. Elf ganzseitige Bilder aus der Werkstatt des Künstlers und Druckers Lucas Cranach, die an Albrecht Dürers Apokalypse-Zyklus orientiert waren, waren in Schmuckausgaben des Septembertestaments zu sehen.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Geburtshaus in Eisleben

Martin Luther kam am 10. November 1483 in Eisleben im heutigen Sachsen-Anhalt zur Welt. Bereits im 17. Jahrhundert wurde das Geburtshaus zum Luther-Museum. Damit ist es eines der ältesten Geschichtsmuseen Deutschlands. Die Räume im Erdgeschoss sind der historischen Wohnung der Luther-Familie nachempfunden.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Sterbehaus in Eisleben

Unweit des Geburtshauses - und gleich gegenüber der St. Andreas Kirche mit der originalen Predigtkanzel aus der Luther-Zeit - steht das Sterbehaus Luthers. Es ist heute ebenfalls Museum. Wichtigstes Exponat ist das Bahrtuch, das 1546 Luthers Sarg bedeckte. Geburts- und Sterbehaus sind seit 1996 Teil des UNESCO-Welterbes.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Augustinerkloster in Erfurt

Seine Karriere als Reformator begann er in Erfurt: 1505 wurde der junge Luther als Mönch im Augustinerkloster aufgenommen. Die Anlage mit dem prachtvollen Kapitelsaal und den Kirchenfenstern aus dem 14. Jahrhundert beherbergt heute eine Ausstellung zur Klostergeschichte. Dafür wurde auch eine Zelle, wie Martin Luther sie bewohnt hat, rekonstruiert.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Schlosskirche in Wittenberg

Die Schlosskirche gilt als Mutterkirche der Reformation. 1517 soll Martin Luther an der Tür seine 95 Thesen angeschlagen haben. Sie kritisierten den Ablasshandel der römisch-katholischen Kirche und forderten eine Rückkehr zum Wort Gottes. Die Thesentür und das Grabmal Luthers, das sich ebenfalls in der Schlosskirche befindet, sind heute Anziehungspunkte für Besucher aus aller Welt.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Lutherhaus in Wittenberg

Das Lutherhaus gilt als weltweit größtes Museum zur Reformationsgeschichte. Es beherbergt auch die berühmte Lutherstube. Hier führte der Reformator seine Tischgespräche mit Studenten, Freunden, Reisenden. In der Ausstellung sind zahlreiche Luther-Portraits sowie das Hochzeitsbild mit Katharina von Bora zu sehen. Die ehemalige Nonne managte das Leben im Lutherhaus.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Lutherdenkmal in Worms

"Hier stehe ich, ich kann nicht anders." Mit diesem Satz weigerte sich Luther 1521 auf dem Reichstag zu Worms, vor Kaiser und päpstlichen Abgesandten seine Lehren zu widerrufen. Per Edikt wurde er geächtet. Dass er durchaus Unterstützer hatte, zeigt das Wormser Denkmal: Luther umgeben von Mitstreitern und Vordenkern der Reformation. Es gilt als größtes Reformationsdenkmal der Welt.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Wartburg bei Eisenach

Der sächsische Kurfürst, einer seiner Förderer, ließ Luther nach dem Wormser Edikt zum Schein entführen. Getarnt als Junker Jörg verbrachte Luther fast ein Jahr auf der Wartburg. In seiner kleinen Kammer übersetzte er in nur zehn Wochen das Neue Testament ins Deutsche. Bereits im 16. Jahrhundert kamen die ersten Pilger auf die Wartburg; heute sind es jedes Jahr etwa 350.000 Besucher.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Veste Coburg

Die mittelalterliche Burg gehört zu den größten und am besten erhaltenen Burganlagen Deutschlands. Im 16. Jahrhundert stand sie unter dem Schutz des sächsischen Kurfürsten, der Martin Luther 1530 hier unterbrachte. Sechs Monate arbeitete der Reformator an Bibelübersetzungen, Predigten, Streitschriften. Lutherkapelle und die Stuben zwischen den Burghöfen ziehen seit Jahrhunderten Luther-Fans an.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Schlosskirche in Torgau

Das Gotteshaus von Schloss Hartenfels ist die erste neugebaute evangelische Kirche. Luther selbst weihte sie 1544. In Torgau befindet sich auch die einzige Gedenkstätte für die Ehefrau des Reformators, Katharina von Bora. Sie starb 1552 in der Stadt; ihr Grabstein befindet sich in der Stadtkirche St. Marien.

Martin Luther - Stationen seines Lebens

Marktkirche in Halle (Saale)

Nach Luthers Tod in Eisleben am 18. Februar 1546 brachte der größte Leichenzug seiner Zeit die sterblichen Überreste des Reformators nach Wittenberg. Der Weg führte über die Marktkirche in Halle, wo seine Totenmaske und ein Abdruck der Hände bis heute erhalten geblieben sind. Ebenso die Kanzel, von der Luther mehrfach die neue Lehre gepredigt hatte. Sie hat die Welt verändert.

Auch 500 Jahre später inspiriert Luthers Wirken zu beeindruckenden Kunstwerken. Der Künstler Yadegar Asisi zeigte im Jahr 2017 in der Lutherstadt Wittenberg das Leben und Werk Martin Luthers in einem großen 360-Grad-Panorama. Anlass war das 500. Reformationsjubiläum 2017.

6. Inspiration fürs Ausland

Auch William Tyndale, ein englischer Reformator und Zeitgenosse Martin Luthers, übertrug die Bibel in seine Muttersprache, nämlich ins Englische. Tyndale hatte an der Universität in Oxford studiert und an der Universität in Cambridge gelehrt. Die Kirche hinderte ihn jedoch daran, die Bibel in England zu übersetzen. 

Daraufhin ging er im Jahr 1524 nach Deutschland, finanziell unterstützt von wohlhabenden Händlern aus London. Im Jahr 1525 stellte er seine Übersetzung des Neuen Testaments fertig, für die er sich an den Arbeiten von Martin Luther und Erasmus von Rotterdam bedient hatte. Gedruckt wurde seine Bibel in Köln, die ersten Ausgaben wurden 1526 nach England geschmuggelt.

Tyndale begann auch mit der Arbeit an der Übersetzung des Alten Testaments, wurde aber vor der Fertigstellung in Antwerpen verhaftet und 1536 als Ketzer hingerichtet. Auch Tyndales Übersetzung wird, ähnlich wie Luthers, dafür geschätzt, dass sie sowohl den Laien als auch den Gelehrten erreichen konnte. "Damit sollte sie Modell stehen für die nächsten 400 Jahre englischer Bibelübersetzungen", so die Autoren der Encyclopedia Britannica. 

7. Die Rückkehr der Frauen 

Martin Luther und seine Kollegen werden für ihre Bibelübersetzung weit geschätzt, ihr Einfluss gilt als revolutionär. Fehlerfrei war sie aber nicht: Sie hatten Frauen verschwinden lassen, die im frühen Christentum für die Verbreitung des jungen Glaubens entscheidend waren. So auch eine gewisse Junia, die der Apostel Paulus in Römerbrief (Kapitel 16, Vers 7) preist: "Grüßt den Andronikus und die Junia, meine Stammverwandten und Mitgefangenen, die berühmt sind unter den Aposteln und vor mir in Christus gewesen sind." 

In Luthers Übersetzung stand dort ein männlicher "Junias", obwohl dieser Namen in der Antike überhaupt nicht existierte. Durch diese Veränderung wurde die große Rolle, die Frauen in der Verkündung und Verbreitung des frühen Christentums gespielt haben, einfach unterschlagen.

Auch zu Luthers Zeiten taten sich Theologinnen hervor, schließlich ging der Protestantismus im Wort, wenn auch nicht in der Praxis, davon aus, dass alle Menschen gleich seien, auch Mann und Frau. Argula von Grumbach riskierte viel, um dem Protestantismus Vorschub zu leisten, sie schrieb Briefe, mischte sich in theologische Debatten ein und sprach sich öffentlich für Martin Luther aus, mit dem sie ebenfalls korrespondierte. Auch Katharina Zell (1497-1652) schrieb nicht nur sechs Bücher und drei Flugschriften sowie Psalm- und Bibelauslegungen, sie nahm auch protestantische Geflüchtete im Pfarrhaus ihres Mannes in Straßburg auf.

8. Es geht immer weiter

So wichtig die Bibelübersetzung Luthers und seiner Kollegen also ist, sie war nicht die erste - und wird auch nicht die letzte sein. Erst 2017 wurde im sogenannten Lutherjahr außerdem eine veränderte Fassung der Lutherbibel durch die Bibelgesellschaft vorgelegt. Antisemitische Überschriften, die nicht Teil des altgriechischen Textes waren, also von Luther und seinen Kollegen eingefügt worden waren, wurden verändert. 

Martin Luther als Ampelmännchen in Worms

Auch sprachlich wurde sie angepasst und modernisiert, um sie wieder dem heute gesprochenen Deutsch anzunähern. Die Starauflage von 260.000 Stück in 14 verschiedenen Ausgaben war bereits nach wenigen Wochen vergriffen. Daraufhin wurden 240 .000 Exemplare nachgedruckt. 

Eine 2021 veröffentlichte "BasisBibel" soll in Zeiten schwindender Gemeindemitglieder auch die junge Generation wieder erreichen: Sie wurde von der Bibelgesellschaft als die Bibel für die Generation Smartphone bezeichnet. Und wie einst Luther dem "Volk aufs Maul schaute", so passten sich auch die Verfasser dieser Schrift der Sprache junger Menschen an: mit zeitgemäßen Wörtern und kürzeren Sätzen.