Unfreiwillige Auszeit. Sind Arbeitnehmer länger krank, haben sie Anspruch auf Krankengeld von ihrer Krankenkasse. © Getty Images / Westend61 Bei langer Krankheit gibt es Krankengeld statt Gehalt. Wir zeigen, mit wie viel Sie rechnen können und was zu beachten ist, um das Geld von der Krankenkasse zu bekommen.
Wenn Arbeitnehmer lange krank sind, haben sie Anspruch auf Krankengeld von ihrer Krankenkasse – wenn sie gesetzlich krankenversichert sind. Dauer des Krankengeldbezugs. Insgesamt zahlt die Kasse bis zu 78 Wochen aufgrund derselben Erkrankung das Krankengeld. Zunächst ruht dieser Anspruch aber bei den meisten Arbeitnehmern, denn in den ersten sechs Wochen der Erkrankung zahlt die Firma das volle Gehalt weiter (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall). Erst danach springt die Krankenkasse ein. Endet der Anspruch auf Krankengeld nach 78 Wochen, gibt es meist drei Möglichkeiten wie es weitergeht – je nach Gesundheitszustand des Versicherten:
So funktioniert das gesetzliche Krankengeld. © Stiftung Warentest / René Reichelt Dauer. Es ist egal, ob Arbeitnehmer mehrmals wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig werden oder lange Zeit am Stück – für dieselbe Erkrankung gibt es insgesamt maximal 78 Wochen Krankengeld - innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren. Die Zeit verlängert sich nicht, wenn innerhalb der ersten Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzutritt. Erst wenn eine weitere Krankheit frühestens am Tage nach dem Ende der ersten Erkrankung auftritt, hat der Arbeitnehmer einen neuen Krankengeldanspruch. Arbeitgeber müssen das Gehalt für arbeitsunfähige Arbeitnehmer auch dann nur sechs Wochen fortzahlen, wenn in dieser Zeit eine weitere Krankheit auftritt, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit führt. Das hat das Bundesarbeitsgericht im Fall einer Altenpflegerin bestätigt. Die Frau war wegen eines psychischen Leidens krank geschrieben, bezog sechs Wochen lang Lohnfortzahlung und anschließend Krankengeld. Am Tag nach dem Ende ihrer Krankschreibung konnte sie infolge einer geplanten, gynäkologischen Operation ihre Arbeit nicht aufnehmen. Sie klagte auf Lohnfortzahlung, Krankengeld bekam sie für diese Zeit nicht mehr. Das Bundesarbeitsgericht wies sie jedoch ab: Ein Anspruch bestehe nur, wenn bewiesen sei, dass die erste Arbeitsunfähigkeit vor Eintritt der zweiten beendet gewesen sei, das sei hier nicht der Fall (Az. 5 AZR 505/18). Wer Krankengeld von seiner Krankenkasse erhalten möchte, muss sich unbedingt an die vorgegebenen Fristen und Vorgaben halten – sonst gibt es im ungünstigsten Fall keine Zahlung von der Kasse. Auf Folgendes gilt es zu achten:
Wie viel Krankengeld Sie als Arbeitnehmer aufgrund Ihres Einkommens beziehen würden, können Sie mit unserem Krankengeld-Rechner herausfinden.
Hat der Arbeitnehmer einen Krankengeldanspruch, zahlt die Krankenkasse 70 Prozent vom Bruttogehalt, aber nicht mehr als 90 Prozent des Nettoentgelts. Allerdings gibt es Krankengeld nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 4837,50 Euro monatlich. Wer mehr verdient, bekommt nicht mehr Krankengeld. Maximal gibt es also 112,88 Euro pro Tag oder 3 386,25 Euro pro Monat. Hinweis: Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden in die Berechnung des Krankengelds einbezogen. Abgezogen werden Sozialversicherungsbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung. Nur die Beiträge zur Krankenkasse fallen während des Krankengeldbezuges weg. Eine 52-jährige Büroangestellte verdient 3 000 Euro brutto. Das Nettogehalt der kinderlosen Frau beträgt rund 2 000 Euro. Sie fällt insgesamt zehn Wochen aus. Die ersten sechs Wochen zahlt ihr Chef weiter. In den restlichen vier Wochen gibt es Krankengeld von der Kasse. Diese prüft zunächst, welcher Betrag niedriger ist: 70 Prozent vom Bruttolohn oder 90 Prozent vom Nettogehalt. Hier ist der Nettowert mit rund 60 Euro pro Tag geringer als der Bruttobetrag mit rund 70 Euro. Auf einen Monat gerechnet, beträgt ihr Krankengeld daher nur rund 1 800 Euro. Davon gehen noch Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung ab. Unterm Strich kann die Frau mit etwa 1 577 Euro Krankengeld im Monat rechnen. Das sind gut 420 Euro weniger als ihr Nettolohn. Der Fiskus will häufig auch noch etwas abhaben: Am Jahresende schlägt das Finanzamt das Krankengeld auf das bis zur Krankheit verdiente Gehalt drauf. Ist für diese Summe ein höherer Steuersatz fällig als für das verminderte Gehalt, wird es mit dem höheren Satz versteuert. Dann muss der Kranke mit einer Steuerforderung rechnen. In einigen Branchen wird das Krankengeld aufgestockt, etwa in der Chemie-Industrie, der Versicherungsbranche und im Bankgewerbe. Im öffentlichen Dienst bekommen kranke Arbeitnehmer, die mindestens drei Jahre beschäftigt sind, die Differenz zwischen Krankengeld und Nettolohn vom Arbeitgeber dazu. Dies gilt bis zu einer Krankheitsdauer von zehn Monaten. Erst bei längerer Erkrankung fällt dieser Zuschlag weg. Die Krankenkassen haben im Jahr 2020 insgesamt 15,95 Milliarden Euro Krankengeld an ihre Versicherten ausgezahlt. Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems sind die häufigsten Ursachen einer mehr als sechswöchigem Krankheit, gefolgt von Erkrankungen des Atemwegssystems und psychischen Erkrankungen. Psychische Erkrankungen dauern im Durchschnitt besonders lang.
Unabhängig. Objektiv. Unbestechlich. Mehr erfahren
Versicherte, die Krankengeld beziehen, dürfen nicht ohne ihre Einwilligung von ihrer Krankenkasse angerufen werden. Die Kassen dürfen jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung einschalten, wenn sie Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit ihres Versicherten haben. Tipp: Wenn die Kasse Ihnen aufgrund eines Gutachtens des MDK das Krankengeld streicht, können Sie Widerspruch einlegen. Wenn Ihr Arzt Sie weiterhin für arbeitsunfähig hält, bitten Sie ihn, dass er bei der Kasse ein Zweitgutachten beantragt. Wie ein Widerspruch zum Erfolg führen kann, zeigt unser Special Widerspruch einlegen. Auslandsreisen muss die Kasse genehmigen, wenn der Patient eine Krankschreibung vorlegt und aus ärztlicher Sicht nichts gegen die Reise spricht. © Adobe Stock / stevanzz Grundsätzlich muss die Krankenkasse nur Krankengeld zahlen, wenn der Versicherte sich in Deutschland aufhält. Doch in Ausnahmefällen ist es auch möglich, ins Ausland zu verreisen. Während eines Urlaubs im Ausland gibt es aber nur Krankengeld, wenn die Krankenkasse zustimmt. Bei Reisen im Inland ist das unnötig. Bei Auslandsreisen muss die Kasse die Reise dagegen genehmigen, wenn der Patient eine Krankschreibung vorlegt und aus ärztlicher Sicht nichts gegen die Reise spricht, so das Sozialgericht Karlsruhe (Az. S 4 KR 2398/17). Die Vorschrift, dass es im Ausland kein Krankengeld gibt, solle lediglich den Bezug der Leistung ohne Grund verhindern. Denn es sei schwer, im Ausland festzustellen, ob wirklich eine Krankheit vorliege. Wenn aber ein Arzt daheim die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, darf die Kasse nicht ablehnen. Andere Gerichte entscheiden ähnlich. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen erlaubte einem Patienten mit Angina Pectoris einen Urlaub in Spanien. Der Arzt hatte wegen der psychischen Belastung dazu geraten. In solchen Fällen sei das Ermessen der Kasse auf null reduziert (Az. L 5 KR 292/14). Tipp: Lassen Sie sich zunächst von Ihrem Arzt bestätigen, dass Sie zwar weiterhin arbeitsunfähig sind, aus medizinischer Sicht jedoch nichts gegen einen Ortswechsel spricht. Sinnvoll ist es außerdem, Untersuchungs- und Behandlungstermine so zu legen, dass Sie während Ihres Urlaubs nichts versäumen. Außerdem sollten Sie auch im Ausland zumindest per Mail für Rückfragen erreichbar sein. Wichtig: Sobald Sie die schriftliche Einwilligung Ihrer Krankenkasse haben, informieren Sie auch Ihren Arbeitgeber über den Auslandsaufenthalt. Wer gesund ist, dem streichen die Kassen das Krankengeld. Das ist plausibel. Doch Krankengeld kann auch verweigert werden, wenn jemand zu krank ist – auch wenn das paradox klingt. Bei Schwerstkranken machen Kassen Druck mit der Begründung, dass jemand, der so krank ist, dass er möglicherweise dauerhaft nicht wieder arbeiten kann, voraussichtlich eine Erwerbsminderungsrente bekommen kann. Die zahlt die Rentenversicherung, nicht die Krankenkasse. So spart die Kasse Geld. Die Kassen können Versicherte dann auffordern, innerhalb einer Frist von zehn Wochen einen Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen zu stellen. Weigert sich der Kranke, hat er keinen Anspruch auf Krankengeld mehr. Das Problem: Wenn eine Reha zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Erwerbsfähigkeit eines Kranken nicht wiederherstellen kann, wird sein Antrag auf Reha als Rentenantrag gewertet. Eine Erwerbsminderungsrente aber bedeutet meist erhebliche finanzielle Einbußen.
Wird jemand nach langer Krankheit wieder gesund und kehrt in seinen Job zurück, muss der Arbeitgeber Hilfe anbieten. Mit dem sogenannten „betrieblichen Eingliederungsmanagement“ ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet dafür zu sorgen, dass zuvor erkrankte Mitarbeiter möglichst dauerhaft einen geeigneten Arbeitsplatz bekommen. Dieses Eingliederungsmanagement ist nicht nur für Schwerbehinderte ein Angebot, sondern es steht allen Arbeitnehmern im Unternehmen offen. Tipp: Die Integrationsämter der Kommunen bieten Schwerbehinderten Hilfe bei der Wiedereingliederung in den Job. Ausführliche Informationen finden Sie unter www.Integrationsaemter.de. Versicherte, die nach langer Krankheit zunächst nur stundenweise arbeiten können, haben die Möglichkeit, nach dem Hamburger Modell allmählich wieder ins Arbeitsleben einzusteigen. Sie bekommen in dieser Zeit weiterhin Krankengeld. Allerdings zählt diese Zeit für die maximal 78 Wochen des Krankengeldbezugs mit. Wenn das Krankengeld ausläuft und Erwerbsminderungsrente nicht oder noch nicht bewilligt worden ist, hat ein Kranker Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 (ALG 1). Wer unter 50 Jahre alt ist, bekommt das ALG 1 ein Jahr lang, Ältere stufenweise länger. Ab 58 Jahre wird es zwei Jahre lang gezahlt. Danach gibt es das wesentlich geringere Arbeitslosengeld 2 (ALG 2). Es ist ein großer Unterschied, ob ein Versicherter nach einem Jahr ALG 1 beziehen muss und dann sein erspartes Vermögen verliert – oder ob er länger Krankengeld oder ALG 1 bekommt und erst später ALG 2. Tipp: test.de informiert dazu ausführlich im kostenlosen Special Nach dem Krankengeld
Gesetzlich krankenversicherte Eltern können Kinderkrankengeld für ihre mitversicherten Kinder beantragen. Dafür gelten folgende Voraussetzungen:
Wichtig: Ist ein Elternteil privat krankenversichert und gilt das auch für das Kind, gibt es keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld. Muss das Kind pandemiebedingt zu Hause bleiben, können Privatversicherte und beihilfeberechtigte Eltern aber Lohnersatzleistungen nach §56 des Infektionsschutzgesetzes in Anspruch nehmen. Tipp: Mehr Infos zum Thema finden Sie in unserem Special Kinderkrankengeld Dieses Special wird regelmäßig aktualisiert. Jüngstes Update: 30. April 2021.
|