Wo beginnt der 3 weltkrieg

Berlin/Brüssel.  Russland hat seine Abschreckungswaffen in Alarmbereitschaft versetzt, eine offenkundige Drohung mit Atomwaffen. Kommt es zum Weltkrieg?

  • Die Ukraine wurde vor mehr als zwei Wochen von Russland angegriffen
  • Viele Europäer befürchten, dass sich der Krieg ausweiten könnte
  • Könnte es sogar zu einem dritten Weltkrieg mit Atomwaffen kommen? Fünf Szenarien, die es zu verhindern gilt

Der Krieg in der Ukraine geht auch in seiner dritten Woche mit unerbittlicher Härte weiter. Nach dem Angriff Russlands auf sein Nachbarland toben Kämpfe an mehreren Fronten, täglich gehen Luftschläge auf ukrainische Städte und Dörfer nieder.

Eine neue Eskalationsstufe stellte die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin dar, seine Atomwaffenstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. Die USA und ihr Präsident Joe Biden verzichteten indes auf den gleichen Schritt.

Seit dem Angriff auf einen ukrainischen Militärstützpunkt in der Nähe von Lwiw, der sogar im Nachbarland und Nato-Mitglied Polen den Himmel erleuchtete, ist klar: Die Situation ist sehr brenzlig. Manche Politiker sprachen schon vor Wochen von einem möglichen "dritten Weltkrieg". Fünf Szenarien, unter denen es dazu kommen könnte.

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Weltkriegsszenario 1: Versehentlicher Zwischenfall

Dieses Szenario gilt als das bedrohlichste, weil die Wahrscheinlichkeit vergleichsweise hoch ist. Zwischenfälle, an denen russische Streitkräfte einerseits und Nato-Soldaten andererseits beteiligt sind, gab es in den letzten Wochen verstärkt: Je größer die Nervosität, desto größer das Risiko von Missverständnissen.

So kam es kürzlich zu einem Beinahezusammenstoß von Flugzeugen der USA und Russlands über dem Mittelmeer. Amerikaner klagen über gefährliche Provokationen der russischen Seite, Vorwürfe gibt es aber auch andersherum. In einem Fall soll vor zehn Tagen eine russische SU-35 nur 1,5 Meter über einem amerikanischen Marineflugzeug geflogen sein. „Was passiert, wenn versehentlich ein US-Aufklärungsflugzeug irgendwo an der Grenze abgeschossen wird?“, fragt ein Nato-Militär in Brüssel.

Dieser Panzer ohne erkennbare Hoheitszeichen wurde am frühen Dienstagmorgen in den Straßen von Donezk in den Separatistengebieten gesichtet. 

Foto: Alexander Ermochenko / Reuters

Oder was, wenn eine russische Rakete ihr Ziel in der Ukraine verfehlt und auf Nato-Territorium, in Polen oder Rumänien, landet? Im Nato-Hauptquartier wird daran erinnert, dass Russland in Syrien im Jahr 2015 Marschflugkörper abgefeuert hat, die versehentlich im Iran landeten.

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Als besondere Gefahrenzone gilt das Schwarze Meer, über das russische Truppen wohl in die Ukraine einrücken würden. „Es muss nur eine Rakete auf Irrflug gehen und ein Nato-Schiff treffen, dann wird es gefährlich“, sagt der frühere Oberkommandierende der Nato-Truppen in Europa, James Stavridis.

Weltkriegsszenario 2: Guerillakrieg eskaliert

Viele westlichen Staaten, zuletzt auch Deutschland, unterstützen die Ukraine mit Waffen. So kann sie länger Widerstand leisten und in den Guerillakrieg ziehen, wenn Russland das Nachbarland besetzen sollte.

Nach US-Plänen wären der Geheimdienst CIA, womöglich auch Spezialkräfte der US-Armee an dieser Hilfe beteiligt. Solche Aktionen bergen jedoch das Risiko, dass es zu einer direkten Konfrontation kommt, Amerikaner und Russen aufeinander schießen – genau das, was Biden wegen der Weltkriegs-Gefahr vermeiden wollte.

Weltkriegsszenario 3: Putin testet den Westen mit Grenzverletzungen

Große Besorgnis löst die Möglichkeit einer vollständigen Besetzung der Ukraine durch russische Truppen aus. In diesem Fall – der in der Nato für wahrscheinlich gehalten wird – stünde Putins Armee nicht nur wie heute direkt vor Estland und Lettland, sondern auch an der Grenze Polens, Ungarns, der Slowakei und Rumäniens.

Bleiben russische Soldaten weiter in Belarus, haben Putins Soldaten auch von dort Zugang nach Polen und ins Baltikum. Damit sind für den Westen die Vorwarn- und Reaktionszeiten im Fall eines Angriffs viel kürzer, die gesamte Abschreckungsstrategie der Nato stünde in Frage, wie im Bündnis-Hauptquartier befürchtet wird.

Russland Präsident Wladimir Putin bei seiner Fernsehansprache am Montag. Er stellte er die Staatlichkeit der Ukraine infrage. 

Foto: Aleksey Nikolskyi / dpa

Die Sorge: Putin könnte nach einem militärischen Erfolg in der Ukraine versucht sein, den Westen zu testen – und zumindest ein kleines Stück etwa Polens zu besetzen. In der Hoffnung, der Westen fürchte bei begrenzten Aktionen die ganz große Konfrontation.

Die Nato hat deshalb ihre Präsenz im Baltikum und jetzt auch in Südosteuropa um einige tausend Soldaten erhöht, die Vereinigten Staaten schickten zusätzliche Kampfflugzeuge und strategische Bomber nach Europa. Das ist zumindest ein klares Signal, dass die Allianz jeden bewaffneten Angriff auf eines ihrer Mitglieder gemeinsam zurückschlagen werde, sagt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Schließlich gilt in einem solchen „Bündnisfall“ für alle 30 Nato-Staaten die Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags. Biden hat Putin klar gewarnt: „Die USA werden jeden Zentimeter von Nato-Gebiet mit der geballten amerikanischen Macht verteidigen. Ein Angriff auf ein Nato-Land ist ein Angriff auf uns alle.“

Weltkriegsszenario 4: Putin greift den Westen an - auch deutsche Soldaten

Eigentlich galt das bislang als völlig unrealistisch. Aber Putins Reden lösen dennoch Besorgnis aus, dass der Kremlherrscher einer Invasion in die Ukraine früher oder später einen weiteren Eroberungsversuch folgen lassen könnte – auch wenn er zuletzt bestritt, dass er wieder ein russisches „Imperium“ errichten wolle. In einem solchen Fall würde auch Deutschland unweigerlich mit in den Krieg gezogen. Eines der Szenarien, die jetzt in der Nato durchgespielt werden: Putin greift das Baltikum an. Schließlich gehörten Estland, Lettland und Litauen bis 1991 der Sowjetunion an.

Der Westen kennt seine eigene Schwäche: Nach Planspielen von Militärstrategen würde Russland das Baltikum innerhalb von 60 Stunden überrennen, die Nato könnte nicht schnell genug ihre Verteidigungskräfte mobilisieren. Entsprechend groß ist die Sorge in den drei baltischen Staaten, das nächste Kriegsziel zu werden.

Aber in Litauen stehen 500 deutsche Soldaten als Teil eines Nato-Vorpostens, demnächst sollen 350 Bundeswehr-Soldaten dazu kommen. Schon deshalb wäre Deutschland vom ersten Moment an in den Konflikt einbezogen. Und dann müsste die Nato als Verteidigungsbündnis alle Kräfte aufbieten, um eine solche Aggression zu stoppen. Auch die Bundeswehr wäre gefordert, schon zur schnellen Nato-Eingreiftruppe gehören fast 14.000 deutsche Soldaten.

Doch jede militärische Konfrontation in Europa zwischen Nato und Russland birgt das Risiko, dass aus einem konventionellen Krieg ein Atomkrieg wird. Bislang galt die Fähigkeit zur nuklearen Abschreckung als Versicherung, dass es nicht zu einem Krieg in Westeuropa kommt. Aber je unberechenbarer Wladimir Putin wird, desto größer werden auch bei Sicherheitsexperten die Zweifel, wie weit auf diese Kalkulation noch Verlass ist.

Ukraine-Krise – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Ein russischer Panzer feuert während einer militärischen Übung in der Region Leningrad. 

Weltkriegsszenario 5: Cyberattacken laufen aus dem Ruder

Dreht Putin weiter an der Kriegsspirale, gehören Cyberangriffe wohl zu seinen nächsten Schritten. Sie könnten allerdings direkt oder indirekt auch Nato-Staaten treffen. Es bestehe das Risiko, dass solche Attacken eskalieren, sagt Ex-Nato-General Stavridis.

US-Präsident Biden stellt klar: „Wenn Russland die USA oder einen Alliierten mit asymmetrischen Maßnahmen angreift – etwa mit Cyberattacken gegen unsere Unternehmen oder kritische Infrastruktur – sind wir auf eine Antwort vorbereitet.“

Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen.

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Es ist das große Schreckensszenario rund um den Krieg in der Ukraine, welches Russlands Außenminister Sergej Lawrow jüngst ausgesprochen hat. "Die Gefahr ist ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden", sagte er über einen möglichen Dritten Weltkrieg in einem Interview im russischen Fernsehen, welches er in seinem Telegram-Kanal verbreitete. Doch wie real ist ein solches Szenario wirklich?

Zunächst einmal ist es auffällig, dass aus Russland immer wieder Drohungen und Andeutungen in Richtung eines Dritten Weltkrieges oder eines Atomkrieges - der wohl selbiges zur Folge hätte - verlauten. Zu Beginn des Krieges in der Ukraine erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin, dass er seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzen lässt. Seitdem ist auch die Angst vor einem Atomkrieg, wie sie im Kalten Krieg allgegenwärtig war, wieder zurück.

Kürzlich sagte der Kreml-Chef: "Jeder, der versucht, sich bei uns einzumischen oder mehr noch, eine Bedrohung für unser Land und unser Volk zu schaffen, muss wissen, dass Russlands Antwort sofort erfolgen und zu solchen Konsequenzen führen wird, die Sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben."

Wegen solcher Aussagen ist die Angst in Europa und der Welt groß, dass es tatsächlich zu der ultimativen Eskalation kommen könnte. Auch von den Politikern des Westens werden die Drohungen ernstgenommen. "Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem Dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben", stellte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) klar.

Scholz musste für sein Zaudern und den Warnungen vor einer Eskalation, die den Dritten Weltkrieg bedeuten könnte, viel Kritik einstecken. Er bekam Ende April aber auch einen offenen Brief von 28 Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler, in welchem sein Handeln begrüßt wird. Der Brief im Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir begrüßen, dass Sie bisher so genau die Risiken bedacht hatten: das Risiko der Ausbreitung des Krieges innerhalb der Ukraine; das Risiko einer Ausweitung auf ganz Europa; ja, das Risiko eines 3. Weltkrieges. Wir hoffen darum, dass Sie sich auf Ihre ursprüngliche Position besinnen und nicht, weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine liefern. Wir bitten Sie im Gegenteil dringlich, alles dazu beizutragen, dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können. Wir teilen das Urteil über die russische Aggression als Bruch der Grundnorm des Völkerrechts. Wir teilen auch die Überzeugung, dass es eine prinzipielle politisch-moralische Pflicht gibt, vor aggressiver Gewalt nicht ohne Gegenwehr zurückzuweichen. Doch alles, was sich daraus ableiten lässt, hat Grenzen in anderen Geboten der politischen Ethik."

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Aussagen zum 3. Weltkrieg als Abschreckung zu verstehen?

Die scharfen Töne von Lawrow und Putin könnten vor allem als Abschreckung zu verstehen sein - und als Warnung, sich in den Krieg in der Ukraine direkt einzumischen. Ähnlich sieht es auch Militär- und Sicherheitsexperte Carlo Masala: "Wladimir Putin möchte den Westen daran erinnern, dass Russland eine Atommacht ist. 'Mischt euch nicht in den Konflikt mit der Ukraine ein', so ließen sich Putins Worte auch übersetzen. Wenn die angeordnete Alarmbereitschaft dann noch den einen oder anderen Staat davon abhält, der Ukraine Waffen zu liefern, ist Russlands Präsident schon ganz zufrieden."

Vor allem die USA und Großbritannien halten oftmals dagegen, senden scharfe Worte zurück in Richtung Moskau. "Lawrows Markenzeichen im Laufe der vergangenen 15 Jahre, in denen er russischer Außenminister ist, war diese Art von Prahlerei. Ich glaube nicht, dass im Moment eine unmittelbare Gefahr einer Eskalation besteht", sagte der britische Verteidigungsminister James Heappey bei BBC. US-Präsident Biden nannte Putin schon früh einen Kriegsverbrecher und machte deutlich, dass unter ihm wenig Deeskalation zu erwarten ist.

Klar ist: Die Nato-Staaten versuchen, eine direkte Beteiligung in der Ukraine zu verhindern, um ein Horrorszenario nicht zu provozieren.

Wie hoch ist die Gefahr für einen Dritten Weltkrieg?

Sicherheitsexperten sind sich derzeit einig, dass Panik vor einem Dritten Weltkrieg nicht angebracht ist. "Das ist sehr unwahrscheinlich. Putin geht es um die Ukraine. Würde er zudem ein Nato-Mitglied angreifen, befände er sich im Krieg mit der Nato und daran hat Putin keinerlei Interesse", erklärte Masala von der Universität der Bundeswehr in München dem ZDF: "Wir stehen nicht vor einem Atomkrieg. Für den Einsatz von Atomwaffen müsste Putin wirklich mit dem Rücken zur Wand stehen. So weit ist es aber noch lange nicht."

Das sehen auch die meisten seiner Kollegen so. "Ich glaube nicht, dass Putin den Krieg über die Ukraine hinaus ausweitet, weil er an der Wiederherstellung des Imperiums interessiert ist und von einem Krieg gegen die Nato gar keinen Gewinn hätte. Dafür wäre Russland militärisch und ökonomisch nicht gerüstet", schätzte beispielsweise Prof. Jörg Baberowski von der Humboldt Universität Berlin.

Die Gefahr schwingt aber immer mit - so sieht man es auch im Bundestag. Die zurückhaltende Einstellung bei den Waffenlieferungen in die Ukraine, welche die Ampel-Regierung lange fuhr, ist auch damit zu erklären. Auch in den Parteien der Opposition gibt es diese Gedanken. "Damit kein Flächenbrand entsteht, muss der Westen noch enger zusammenstehen. In der Unterstützung der Ukraine und beim Schutz des Nato-Bündnisgebiets", sagte der Ex-Verteidigungsstaatssekretär Thomas Silberhorn der Bild.

Putin selbst sagte bei seiner Rede zum "Tag des Sieges" am 9. Mai in Moskau, dass sich die "Schrecken eines Weltkriegs nicht wiederholen" dürfen. Das klingt immerhin nicht danach, dass er derzeit weitere Provokationen unternehmen will.

3. Weltkrieg: Diese Szenarien gibt es

Um die Gefahr eines Dritten Weltkrieges zu minimieren, gibt es einige Szenarien möglichst zu verhindern. Dabei liegt aber nicht alles in den Händen Deutschlands und der Nato-Staaten. Im Folgenden sind die drei wahrscheinlichsten Szenarien für einen neuerlichen Weltkrieg zusammengefasst.

Die Nato greift in den Krieg in der Ukraine ein: Falls die Nato in den Krieg in der Ukraine eingreifen sollte, dann könnte eine Eskalation und sogar ein Dritter Weltkrieg bevorstehen. Eine Einmischung wäre dann der Fall, wenn Soldaten aus den Nato-Staaten auf den Seite der Ukraine kämpfen. Auch eine Flugverbotszone wäre eine direkte Beteiligung, denn dann müssten russische Flugzeuge von der Nato abgeschossen werden, wenn sie über der Ukraine fliegen sollten.

Russland verübt Grenzverletzungen oder greift Nato-Staat an: Sobald Russland einen Staat der Nato angreift, würde der Nato-Bündnisfall ausgelöst werden. Dann müssten also die Verbündeten zur Hilfe eilen und in den Krieg eintreten. Derzeit ein unwahrscheinliches Szenario, aber eben nicht ausgeschlossen.

Versehentlicher Zwischenfall: Womöglich die gefährlichste Option, weil die wahrscheinlichste. Kürzlich kam es über dem Mittelmeer beinahe zu einem Zusammenstoß von Flugzeugen der USA und Russland. Beide Seiten werfen sich gegenseitig Provokationen vor. Je aufgeheizter die Stimmung, desto gefährlicher. Beispielsweise könnte ein Flugzeug der USA an der Grenze versehentlich abgeschossen werden, oder ein russische Rakete verfehlt ihr Ziel und trifft auf Nato-Territorium. Dann wäre wohl eine Reaktion nötig, welche sogar einen Kriegseintritt betreffen könnte.

Alle aktuellen Entwicklungen erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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