Warum sehe ich auf Fotos so alt aus?

Auf Fotos finden wir uns oft nicht so schön wie im Spiegel. Dabei sehen wir doch eigentlich gleich aus. Oder?

Audio herunterladen (1,7 MB | MP3)

In der Regel finden wir unser Spiegelbild ziemlich gut. Das lässt sich mit dem sogenannten Mere-Exposure-Effekt erklären: Wenn wir mit einem bestimmten Reiz – also zum Beispiel unserem Spiegelbild – öfter konfrontiert sind, dann finden wir diesen Reiz mit der Zeit immer besser. Je öfter wir etwas sehen, desto besser gefällt es uns und unser Spiegelbild sehen wir ja meistens mehrmals täglich.

Warum gefallen wir uns auf Fotos nicht so sehr?

Auf Fotos sehen wir uns meistens gefühlt verkehrt herum. Aber eigentlich sehen wir uns da so, wie wir tatsächlich aussehen, also wie uns auch andere sehen. Im Spiegel sehen wir uns spiegelverkehrt. Wenn wir uns auf Fotos sehen, ist das ungewohnt, deshalb finden wir das erstmal weniger gut.

Warum sehe ich auf Fotos so alt aus?

"Mere Exposure" bedeutet auf Deutsch "bloße Exposition". Also alleine, dass wir unserem Spiegelbild täglich ausgesetzt sind, führt dazu, dass wir es mögen. Pixabay / Sanna Jågas

Viele Android-Smartphones speichern Selfies standardmäßig gespiegelt ab, um diesem Effekt entgegenzuwirken. Wir selbst finden das Selfie dann schöner, dafür sind andere Menschen eher irritiert.

Außerdem sind Fotos nur eine ganz kurze und unbewegliche Momentaufnahme. Da stechen uns ungeliebte Details viel eher ins Auge, weil wir uns darauf viel mehr konzentrieren können. Im Spiegel sehen wir uns ja immer ein bisschen in Bewegung – quasi in 3D. Da können wir uns – bewusst oder unbewusst – auch eher so hindrehen, wie wir es gut finden. Ein Foto ist und bleibt dagegen so, wie es ist. Manchmal ist die Perspektive nicht optimal gewählt und teilweise hat uns auch die Kameralinse etwas verzerrt.

Kann man gegen den Mere-Exposure-Effekt etwas machen?

Ja, mehr Fotos machen lassen und sich selbst anschauen kann helfen. So gewöhnt man sich an den eigenen Anblick auf Fotos. Das klappt übrigens auch mit der Stimme, denn seine eigene Stimme hört man selbst ja ganz anders als auf Aufnahmen. Wer sich aber einige Mal selbst gehört hat, gewöhnt sich an den Klang der eigenen Stimme auf Aufzeichnungen. Der Mere-Exposure-Effekt funktioniert nämlich nicht nur mit Gesichtern, sondern zum Beispiel auch mit Songs, Werbung und Motiven.

Warum sehe ich auf Fotos so alt aus?

Wer öfter Bilder von sich macht und diese ansieht, gewöhnt sich an den eigenen Anblick. Pixabay / Pexels

 

Wir kennen das alle: Man guckt in den Spiegel und findet: „Ach! Heute seh ich echt gut aus! Da mach ich ein Selfie!“ – und dann der Schock: du siehst eben nicht gut aus auf dem Foto! Wie kann das sein? Und auch 100 Versuche später, will kein hübsches Selfie bei rauskommen, das man auf Instagram, Snapchat oder WhatsApp posten könnte. Hinter diesem Phänomen steckt ein bestimmtes Problem!

 

Der Grund, warum wir uns auf Selfies oft nicht wiedererkennen ist, dass wir unser Gesicht die meiste Zeit im Spiegel sehen. Wenn wir uns im Spiegel angucken, denken wir SO sehen wir aus. Doch der Spiegel lügt – denn in Wahrheit siehst du dich … naja … spiegelverkehrt.

 

Die Wahrnehmung des Menschen ist so angelegt, dass Symmetrie als schön wahrgenommen wird. Das bestätigen mittlerweile mehrere wissenschaftliche Studien. Doch nur wenige Menschen haben ein (nahezu) symmetrisches Gesicht. Besonders einheitliche Gesichter – mit bis zu 92% – haben etwa Selena Gomez, Jennifer Lawrence oder Kendall Jenner.

 

Doch trotz der fehlenden Symmetrie finden wir uns ja schön im Spiegel – warum? Menschen haben auch die Eigenschaft, sich Dinge oder jemanden (inklusive sich selbst) schön gucken zu können. Je länger und öfter man etwas (oder jemanden) sieht, desto mehr gewöhnt man sich dran und empfindet dies dann eben als schön. Dieses Phänomen nennt sich der „Mere-Exposure-Effekt“.

 

Da bei Fotos der spiegelverkehrte Effekt den Spiegel haben fehlt, sehen wir uns nun, als ob wir ein Fremder wären, der uns anguckt und eben auch jemanden Fremdes sieht.

Oder kurz: Wir erkennen uns auf den Fotos nicht wieder – und viele finden sich dann nicht schön. Denn SO wie wir uns auf einem Foto sehen, sehen wir uns selbst nicht.

 
Warum sehe ich auf Fotos so alt aus?
Selfies aus unterschiedlichen Entfernungen – ein deutlicher Unterschied . . .

Ein weiterer Grund ist: das Selfie kann das Gesicht verzerren. Denn was näher an der Kamera ist, wirkt größer, und alles, das weiter weg ist, wird nach hinten "verzerrt". Dadurch wirkt deine Nase (die nah an der Kamera liegt) um bis zu 30 % größer. Deine Wangen (die weiter hinten liegen) wirken wiederum kleiner. Deine Ohren noch kleiner.

Zum Vergleich: Aus drei Metern Entfernung sieht dein Gesicht ganz anders aus, weil die Propor­tionen stimmen.

 

Ein Trick, das Selfie oder Foto so zu bearbeiten, dass es einem gefällt – und man sich selbst wieder erkennt ist, das Bild in der Bearbeitung spiegelt. Allerdings muss man dann in Kauf nehmen, dass alle anderen Menschen einen dann nicht mehr erkennen!

Auch die Selfie Kamera – die leider meist eine schlechtere Auflösung hat – macht ein Spiegelbild von dir und somit meist (für einen selbst) schönere Bilder.

Plus: ein Selbstauslöser oder ein Selfie Stick (peinlich, aber zu Hause, sieht es ja niemand) können außerdem das Problem, der verschobenen Proportion lösen.

Würde man eine spontane Umfrage in der Fußgängerzone zum Thema "Mögen Sie sich selbst gern auf Fotos anschauen?" starten, würden höchstwahrscheinlich 80 Prozent der Befragten mit Nein antworten. Das liegt allerdings nicht an ausgeprägter Eitelkeit oder Selbstkritik, sondern an einem Phänomen aus der Psychologie

Warum sehe ich auf Fotos so alt aus?

Sieht gut aus? Auf Fotos sehen wir uns richtig herum, das ist für's Auge oft verwirrend

Von Merle Wuttke

"Oh, nein! Bitte lösch' das sofort!": Na, kommt Ihnen der Satz bekannt vor? Seitdem wir uns jedes Foto sofort anschauen können und nicht wie früher warten müssen, bis die Filmrolle entwickelt ist, dauert das Auswählen des richtigen Bildes wahrscheinlich länger als das Fotografieren selbst. Schließlich kann man jetzt so lange knipsen, bis das Ideal-Bild, auf dem man sich so richtig gut findet, endlich darunter ist. Nur braucht das eben seine Zeit. Schuld daran ist unter anderem der so genannte 'Mere-Exposure-Effect' – ein Phänomen aus der Sozialpsychologie.

Was es beschreibt? Die Tatsche, dass wir die Sachen am besten finden, die wir besonders häufig sehen. Und dazu gehören in erster Linie – Trommelwirbel – wir selbst! Ja, wir alle finden uns selbst ziemlich gut oder besser gesagt, unser Spiegelbild. Nicht weil wir Narzissten sind, sondern weil unser Spiegelbild zu den Dingen gehört, denen wir am meisten begegnen, weshalb wir in der Regel positiv darauf reagieren.

Das Problem ist nur: Beim Blick auf uns selbst kennen wir eben auch nur dieses eine Bild von uns – weshalb es spätestens beim nächsten Selfie zur Krise kommt. Auf einem Foto sehen wir uns nämlich – anders als im Spiegel – richtig herum. Also genau so, wie unsere Familie, unsere Freunde und der Rest der Welt. Weil uns dieses Bild aber fremd ist, reagieren wir so ablehnend darauf.

Dieser 'Mere-Exposure-Effect' führt im Übrigen in anderen Lebensbereichen dazu, dass wir uns etwa mit Leuten anfreunden, denen wir besonders oft begegnen, etwa im Kindergarten oder an der Arbeitsstelle. Und die Werbung nutzt ihn dafür, uns Produkte schmackhaft zu machen. Wenn man ein Produkt nämlich kurz mehrmals hintereinander zeigt, führt dies ebenfalls dazu, dass wir diesem offener und positiver begegnen.

Tja, jetzt sind wir zwar schlauer und müssen uns von Freunden nicht mehr als eitel verspotten lassen, wenn wir wieder mal diejenigen sind, die erst mit dem zehnten Gruppen-Selfie einverstanden sind, sondern können fröhlich auf unsere psychologische Alltagsbildung verweisen. Aber blöd finden wir uns trotz dieses Wissens weiterhin auf den meisten Fotos.

Vielleicht liegt die Lösung aber genau hier: Je mehr Fotos wir nun von uns selbst machen, desto mehr gewöhnen wir uns an den Anblick und desto besser finden wir uns! Damit wäre auch erklärt, warum jeder Hans und Franz sich ständig und überall selbst ablichtet: Im Supermarkt, während der Kassierer die Milch übers Band zieht, am Flughafen in der Gepäckbandschlange, auf dem Klo. Sie alle tun es, um endlich mit sich und ihrem Aussehen im Reinen zu sein. Ach Mensch, endlich habe ich das auch verstanden. Es geht hier gar nicht um Eitelkeit, es geht um Selbstliebe! Na, denn fröhliches Knipsen!